Was ist das SEZ?
Das von 1978 bis 1981 an der Landsberger Allee erbaute Sport- und Freizeitzentrum, kurz SEZ, war in der DDR durchgehend gut besucht. Bis zu 15.000 Besucher*innen strömten täglich, angezogen vom damals beispiellosen Angebot an Aktivitäten, welches von einer Schlittschuhbahn bis hin zum Wellenbad reichte, aus der ganzen DDR nach Friedrichshain. Über die Systemgrenzen hinweg wurde das SEZ als Gemeinschaftsprojekt der Aufbauleitung Sondervorhaben Berlin zusammen mit verschiedenen Betrieben aus der gesamten DDR, der westdeutschen Firma Hochtief AG aus Essen und der schwedischen Firma ABV Stockholm realisiert. Den vorher ausgeschriebenen Wettbewerb gewann die Hochtief AG. Der aus der DDR geflüchtete Architekt Günther Reiß war maßgeblich am Entwurf beteiligt. Sein Name wurde jedoch erst Jahre später mit dem SEZ in Verbindung gebracht. Eine frühzeitige Bekanntgabe seiner Beteiligung hätte aufgrund seines Status als DDR-Flüchtling zu einem Ausschluss vom Wettbewerbsverfahren geführt(1).
Auf einem 8 ha großen Gelände erbaut umfasst das SEZ eine Bruttogeschossfläche von 35.000 Quadratmetern und gliedert sich in 3 Bauteile. Das zentral angeordnete Bauteil 2 diente als Eingangsbereich und beherbergte die Schwimmhallen. Besonders präsent ist die Tragstruktur des Gebäudes. Imposante Stahlfachwerkträger erstrecken sich über bis zu 40 Meter Länge. Sie reichen bis in den Außenraum und bleiben aufgrund der transparent gestalteten Gebäudehülle allzeit sichtbar. Die Transparenz des Gebäudes führt zu einer Verbindung des Innen- und Außenraums und sollte: „den Bürger zum Zuschauen einladen und ihn auch zur eigenen Entfaltung anregen.“(2).
Das SEZ basierte auf dem Konzept der vier Jahreszeiten, wobei das dreigeteilte Bauwerk in Winter, Sommer und Frühling untergliedert wurde. Die Freizeitpromenade, Restaurants sowie Club- und Zirkelräume repräsentierten den Herbst. Der Winterbereich an der heutigen Landsberger Allee umfasste eine Eishalle als Hauptattraktion, ergänzt durch Hobbyräume und Bereiche für Gemeinschaftsspiele. Der Sommerbereich an der Straßenkreuzung beinhaltete einen lichtdurchfluteten Schwimmbereich mit über sechs Becken, einschließlich eines Freibeckens mit Rutsche, das ganzjährig genutzt werden konnte. Der Frühlingsbereich an der heutigen Danziger Straße fokussierte sich auf Konditionierung und Mannschaftssport mit einer Sporthalle, Turnhalle sowie sportmedizinischen Einrichtungen und einem großen Saunabereich. Das Farbkonzept passte sich den Jahreszeiten an: kühle Blautöne im Winter, leuchtende Farben im Sommer und grüne Schattierungen im Frühling. Herbstbereiche erhielten eine Palette aus grünen, blauen und orangebraunen Tönen, wobei Gelb als Hauptfarbe durch alle Bereiche führte.
Nach der Wende setzten die Berliner Bäderbetriebe den Badebetrieb in Teilen des Gebäudes fort. Die Besucher*innenzahlen sanken jedoch drastisch. Dies führte, zusammen mit der dringlichen Notwendigkeit einer kostspieligen Sanierung des Gebäudes, welche aufgrund der knappen Haushaltskassen nicht durchgeführt werden konnte, schließlich zur Schließung des Gebäudes im Jahr 2002. Ein Jahr später ging das Grundstück für einen symbolischen Euro an den Leipziger Investor Rainer Löhnitz, der das SEZ für verschiedene Zwischennutzungen verwendete. In diesem Zuge änderte sich auch das Farbschema des Gebäudes, welches seither in Lila- und Orangetönen gestrichen ist. Seine Umbaupläne, die auch eine Hotelnutzung umfassten, wurden durch eine Bausperre der Bezirksverwaltung gestoppt. 2016 bemühte sich der Berliner Senat schließlich um die Rückgewinnung des Geländes. Nach jahrelangem Rechtsstreit entschied der Bundesgerichtshof Ende 2023 nun zugunsten des Landes Berlin. Dessen aktuellen Planungen entsprechend soll das SEZ abgerissen werden und an dessen Stelle 500 Wohnungen und ein Schulbau errichtet werden. Doch Rainer Löhnitz, der Im Frühjahr 2024 Restitutions- und Nichtigkeitsklage stellte, zeigte sich lange zuversichtlich, den Verlust des SEZ noch zu verhindern. Am 1.10.2024 wurde das Gebäude letztlich dennoch zwangsgeräumt. Gerichtsvollzieher, unterstützt von 60 Polizisten, übernahmen das Gelände des SEZ, das nun wieder dem Land Berlin gehört. Aktuell wird das Gebäude von der BIM Berlin (Berliner Immobilienmanagement GmbH) verwaltet. Das Objekt wird derzeit von dem Künstler*innenkollektiv Dream World, der Bürger*inneninitiative SEZ für alle!, dem Yoga Verein Green Yoga und dem SEZ-Club genutzt, welcher das Spielen von Badminton, Tischtennis und Pickle Ball anbietet.
(Stand. 17.11.2024)
Das SEZ bot vielfältige Nutzungsmöglichkeiten. Dazu gehörten unter anderem ein Schwimmbad mit ca. 1.800 qm Wasserfläche, ein 400 qm großes Außenschwimmbecken, drei Saunen für Männer, Frauen und Familien sowie ein Solarium. Für Rollschuh- und Eislaufen stand das „Polarium“ zur Verfügung. Sport- und Spielhallen ermöglichten Mannschaftsspiele wie Volleyball, Tischtennis, Basketball, Handball und Badminton. Darüber hinaus gab es eine Turnhalle, Gymnastik- und Ballettsäle, einen Kraft- und Konditionsraum sowie sportmedizinische Beratung.
Eine Bowlinganlage mit 16 Bahnen, zwei Mehrzwecksäle für Vorträge und Vorführungen, ein Konferenzraum und fünf Zirkelräume waren ebenfalls Teil des Angebots. Für Kinder gab es einen Sportgarten zur Betreuung, während die Eltern das SEZ nutzten. Im Gebäude gab es zudem eine Freizeitpromenade mit Billardraum, Spiel- und Lesebereich sowie verschiedene gastronomische Einrichtungen, darunter das Parkrestaurant „Kristall“, das Café „Kaskade“ und die Biergaststätte „Zur Molle“. Drei Kioske, eine Personalkantine und einen Friseursalon gehörten ebenfalls zum Angebot.
Die Außenanlagen erstreckten sich über ca. 50.000 qm und umfassten das Außenschwimmbecken, eine Außenbühne mit Zuschauertribüne, eine Liegewiese, einen Kinderspielplatz, Bereiche für Brettspiele wie Bodenschach, Dame und Mühle, vier Kegelbahnen, Shuffleboard, Stockschießen, Boccia, einen Luftgewehrschießstand sowie Plätze für Fußball, Volleyball, Basketball, Badminton, Minigolf und Tischtennis.
(1): Vorbringer, Anne: Der geheime SEZ-Architekt: „Mir blutet das Herz, wenn ich mein Werk heute sehe“, in Berliner Zeitung, 14.01.2024.
Online abrufbar unter: https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/der-geheime-sez-architekt-
(2): Vorbringer, Anne: Der geheime SEZ-Architekt: „Mir blutet das Herz, wenn ich mein Werk heute sehe“, in Berliner Zeitung, 14.01.2024.
Online abrufbar unter: https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/der-geheime-sez-architekt-guenter-reiss-li.2175883
Abb. 1: IRS Erkner / Wissenschaftliche Sammlungen; Bestand Diasammlung, Sig. D_02_0206.
Abb. 2: IRS Erkner / Wissenschaftliche Sammlungen; Bestand Diasammlung, Sig. D_02_02011.
Abb. 3: SEZ Außenansicht, 2024, Foto: Susanne Lorenz.
Bauakademie der Deutschen Demokratischen Republik, Aufbauleitung Sondervorhaben:
Sport- und Erholungszentrum Berlin. Hauptstadt der DDR. Dokumentation zur Investitionsentscheidung, Berlin den 30. 6. 78, Berlin 1981.
Bauakademie der Deutschen Demokratischen Republik, Aufbauleitung Sondervorhaben:
Sport- und Erholungszentrum Berlin. Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik 1978-1981, Berlin 1981.
Fundel Bernd, Reiß Günter, Tröger Klaus:
Sport- und Erholungszentrum in Berlin-Friedrichshain, in: Hochtief-Nachrichten, o.Jg., 1982, Nr. 3. IRS Erkner Wiss. Samml. C 97_K1
Hössner, Maximilian: SEZ-Investor Löhnitz: „Die fertigen Pläne zum SEZ liegen auf meinem Tisch“, in tipBerlin, 24.07.2024.
Online abrufbar unter: https://www.tip-berlin.de/stadtleben/politik/sez-investor-rainer-loehnitz-interview-2024/